Online-Theorie Verkehrsministerium

Statement an den Minister für Digitales und Verkehr zur Veranstaltung “Synchrones E-Learning in der novellierten Fahrschülerausbildung:

Sehr geehrter Herr Wissing,

am Freitag, den 02.06.2023 fand der Workshop „Synchrones E-Learning in der novellierten Fahrschülerausbildung“ statt, bei dem das „Eckpunktepapier“ der Verkehrsministerkonferenz vorgestellt wurde. Wir hatten hohe Erwartungen an diese Veranstaltung im Hinblick auf die Digitalisierung. Mit diesem Schreiben möchten wir unseren tiefen Unmut über den aktuellen Stand des Eckpunktepapiers sowie der geplanten Digitalisierung zum Ausdruck bringen.

Mit dem Koalitionsvertrag “Wir wollen mehr digitale Elemente des Führerscheinunterrichts ermöglichen” von 2021 und dem Beschluss des Bundesrats (Bundesrats-Drucksache 858/21) hat die derzeitige Regierung den Auftrag erhalten, zeitnah unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Ergebnisse, in einer von ihr einzuberufenden Expertenkommission und gemeinsam mit den Ländern, Vorgaben für eine Neufassung des digitalen Fahrschulunterrichts zu entwickeln. Zudem haben Sie als Vorsitzender des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, Ihren ausdrücklichen Wunsch geäußert.
In der Verkehrsministerkonferenz (VMK) vom 22./23. März 2023 in Aachen wurde dieser Auftrag nochmals konkretisiert. Es wurde deutlich betont, dass die Gesetzesänderung nun möglichst schnell umgesetzt werden sollte. Jedoch plant die Regierung erst im Jahr 2025 mit der Umsetzung des Gesetzes zu beginnen.

Wir halten nicht nur den späten Zeitpunkt für äußerst fahrlässig, sondern haben auch erhebliche Bedenken bezüglich einiger Punkte des Eckpunktepapiers. Es besteht ein dringender Handlungsbedarf, um hier zeitnah benötigte Verbesserungen zu erzielen.

Des Weiteren stellen wir das bisherige Format der Sitzungen und Workshops mit allen Verbänden in Frage. Es scheint, dass es hier zu keinem konstruktiven Austausch kommt, da jede Partei lediglich ihre Meinung kundtut. Insbesondere die Verbände, die dem digitalen Unterricht weiter äußerst skeptisch gegenüberstehen, verfolgen augenscheinlich alleinig das Ziel, die Umsetzung des Gesetzes so weit wie möglich hinauszuzögern.

Wir möchten betonen, dass der digitale Unterricht bis spätestens 2024 verbindlich eingeführt werden muss. Es darf den Fahrschulen keinesfalls auferlegt werden, neben dem digitalen Unterricht auch weiterhin Präsenzunterricht anbieten zu müssen. Die Entscheidung darüber, ob sie Präsenz- oder Digitalunterricht anbieten möchten, muss den Fahrschulen frei bleiben.

Zu den Gründen:

1. Der Führerschein ist schon jetzt Luxusgut und die Ausbildung im europäischen Vergleich zu teuer. Die derzeitige Inflation hat noch weiter dazu beigetragen. Wie jedoch sogar Herr Brenner, Vorsitzender des Verbandes der Fahrlehrerausbildungsstätten bei der Sitzung von 02.06.2023 richtig fest stellte, bietet Digitalunterricht die Möglichkeit zu Kosteneinsparungen, die jetzt dringend notwendig sind, um die Kosten des Führerscheins nicht weiter explodieren zu lassen, sowohl für Fahrschüler:innen, als auch Fahrlehrer:innen.

 

2. Diese Kosteneinsparungen für Fahrschulen sind jedoch keinesfalls möglich, wenn eine Gesetzesänderung plötzlich vorschreiben würde, dass Fahrschulen zwar die Möglichkeit haben, Digitalunterricht anzubieten, aber weiterhin auch Präsenzunterricht anbieten müssen. Das hätte zur Folge, dass Fahrlehrer:innen nicht nur den Präsenzunterricht, sondern auch den Digitalunterricht zwingend erlernen müssten, was die Ausbildungsdauer verlängern und die Kosten erhöhen würde. Zudem müssten Fahrschulen zusätzliches Equipment anschaffen, sowohl für den Präsenzunterricht als auch für den Digitalunterricht, das in ihren Unterrichtsräumen vorhanden sein und überwacht werden müsste. Die Kosten hierfür würden letztendlich von den Fahrschüler:innen getragen werden, was zu einer weiteren Erhöhung der Führerscheinpreise führen würde. Fahrlehrer:innen sind zudem bereits jetzt zeitlich maximal ausgelastet. Es ist nicht akzeptabel, dass ein neues Gesetz, das eigentlich Entlastung und Digitalisierung bringen soll, genau das Gegenteil bewirkt.

 

3. Auch die Ausbildungsdauer für Fahrschüler:innen würde weiter ansteigen, was angesichts der derzeitigen durchschnittlichen Wartezeiten von bereits 6-9 Monaten unzumutbar und nicht länger tragbar wäre. Wenn beispielsweise die ersten 4 Präsenzstunden verpflichtend in Fahrschulen abgehalten werden müssten, zeigt die bisherige Erfahrung, dass Fahrschulen diese nur einmal pro Quartal anbieten könnten, um neue Fahrschüler:innen aufnehmen und eine nahtlose Verzahnung der Ausbildung gewährleisten zu können. Mit Digitalunterricht wäre hingegen eine kontinuierliche Verzahnung möglich. Dies wurde während der Corona-Pandemie nachweislich von Fahrschulen demonstriert, insbesondere durch Kooperationen, bei denen sie sich gegenseitig unterstützten. Dadurch standen den Fahrschüler:innen mehr Termine online zur Verfügung, um ihre obligatorischen Theorie-Stunden im Rahmen einer gut verzahnten Ausbildung absolvieren zu können. Dies ermöglichte den Fahrschüler:innen jederzeit mit ihrer Führerscheinausbildung zu beginnen, während Fahrschulen flexibler bei der zeitlichen Gestaltung der Ausbildung entlang der wichtigen Verzahnung waren.

 

4. Ein erzwungenes hybrides Modell würde sich generell negativ auf die Ausbildung auswirken. Zumindest in einem Punkt waren sich alle Parteien während der Sitzung vom 02.06.2023 einig: Es gibt Fahrschulen, die in der praktischen Ausbildung exzellent sind, und es gibt solche, die bereits außergewöhnliche Fähigkeiten in der digitalen Ausbildung besitzen. Eine Gesetzesänderung sollte diese Expertise zugunsten der Fahrschüler:innen fördern. Dieses Modell hat sich bereits im praktischen Teil bewährt. Immer mehr Fahrschulen spezialisieren sich beispielsweise auf die Ausbildung für automatisches Fahren und müssen nicht gezwungen sein, auch Schaltwagen zu unterrichten. Für beide Modelle, Digital und Präsenz, sollten jedoch klare Vorgaben festgelegt werden, die von der Fahrschulüberwachung überprüft und genehmigt werden.

 

5. Es gibt tatsächlich keine empirischen Daten, die eine Gesetzesänderung nach diesem hybriden Modell unterstützen. Bisher liegen nur Daten zum reinen Präsenzunterricht oder zum reinen Digitalunterricht vor. Die Auswirkungen eines hybriden Modells auf Fahrschulen und Fahrschüler:innen wurden bisher nicht über einen längeren Zeitraum empirisch untersucht. Die Punkte 1-4 stellen daher lediglich wirtschaftlich und pädagogisch logische Schlussfolgerungen dar. Es ist jedoch nachgewiesen, dass sowohl der reine Präsenzunterricht, der in Deutschland seit über 80 Jahren funktioniert, als auch der reine Digitalunterricht während der zweijährigen Corona-Pandemie erfolgreich waren. Da während der Pandemie die Vorteile des reinen Digitalunterrichts hinsichtlich Kosteneinsparungen, verbesserten Prüfungsergebnissen und nachhaltigem Lernen festgestellt wurden, hat sich die Koalitionsregierung dazu entschlossen, das Gesetz entsprechend zu ändern, um eine zeitgemäße Ausbildung im Rahmen der neuen digitalen Welt weiter zu fördern. Das bisherige Eckpunktepapier erfüllt diesen Auftrag leider nicht.

Wir präsentieren hiermit einen 5-Punkte-Plan, der eine klare und umsetzbare Lösung für alle Aspekte bietet. Dieser 5-Punkte-Plan zielt darauf ab, die Erfahrungen und Investitionen der Fahrschulen im Digitalunterricht zu schützen und eine fundierte Gesetzgebung auf der Grundlage verlässlicher Daten zu erreichen. Die Auflagen, die bis zur Herbstsitzung 2023 erarbeitet werden, sollen sicherstellen, dass die Fahrschulen ihre bisherigen Investitionen und ihr Fachwissen in dem Digitalunterricht nutzen können. Dieser Plan kann auch bei der nächsten Verkehrsministersitzung im Herbst 2023 vorgestellt werden:

1. Synchrones E-Learning: Jede Fahrschule kann unter bestimmten Voraussetzungen synchrones E-Learning anbieten.

2. Auflagenentwicklung: Die erforderlichen Auflagen werden vom Bundesamt für Straßenverkehr (BaSt) bis zur Herbstsitzung 2023 erarbeitet.

3. Bewerbungsphase: Nach der Herbstsitzung können Fahrschulen bis zum 20. Dezember 2023 Anträge bei ihren örtlichen Behörden einreichen, um im Rahmen einer einjährigen Studie vom 01. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2024 Digitalunterricht anzubieten.

4. Empirische Studie: Während dieser Studie werden empirische Daten von Fahrschüler:innen und Fahrschulen erhoben, die entweder reinen Digitalunterricht oder ein hybrides Modell anbieten. Alle Verbände und Parteien, die an der Sitzung vom 02. Juni 2023 teilgenommen haben, werden in die Studie einbezogen. Die gesammelten empirischen Daten werden allen beteiligten Parteien zur Verfügung gestellt, um bis zur endgültigen Umsetzung des Gesetzes im Jahr 2025 zu einer klaren, empirisch fundierten Schlussfolgerung zu gelangen.

5. Gesetzesumsetzung: Basierend auf den Ergebnissen der Studie und den vorliegenden empirischen Daten erfolgt die finale Gesetzesumsetzung im ersten Quartal 2025.

Dieser 5-Punkte-Plan bietet einen klaren Zeitrahmen und eine wissenschaftlich fundierte Herangehensweise, um die Einführung des Digitalunterrichts im Fahrschulwesen voranzutreiben.

Mit freundlichen Grüßen,

Vorstand des DVFFF e.V.