Online-Theorie - Offener Brief an das Verkehrsministerium

Deutsche Verein für Freie Fahrlehrer und Fahrschulen (DVFFF)
Hermannstr. 6
60318 Frankfurt am Main

An das:

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
Invalidenstraße 44
10115 Berlin

Wir haben nachgerechnet:

Berlin, 14.07.2021

Zukünftige Gestattung von Online Theorieunterricht an Fahrschulen im Rahmen der Fahrausbildung zum Erhalt von Fahrerlaubnissen

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie wurde zur Eindämmung dieser, Fahrschulen im Rahmen von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nummer 13 FahrlG von den Vorgaben gemäß § 3 Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz („FahrlG2018DV“), die Möglichkeit gegeben, den Theorieunterricht im Rahmen der Führerscheinausbildung an Stelle in Form eines Präsenzunterrichtes, als Online Theorieunterricht abzuhalten. Diese Möglichkeit des Online- Theorieuntterichts war in den Zeiten der Digitalisierung eine lang überfällige Änderung des Ausbildungsverfahrens zum Erhalt von Fahrerlaubnissen. Doch war diese Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zur Durchführung von Online-Theorieunterricht von den Behörden größten Teils zeitlich befristet, bis zum Ablauf des 30.06.2021. Nunmehr sind die Behörden dazu übergegangen, die Fahrschulen direkt anzuschreiben und darin aufzufordern, von der Durchführung des Online-Theorie Unterrichts abzusehen und wieder zum Präsenztheorieunterricht überzugehen. Dieses Vorgehen seitens der zuständigen Landesbehörden ist aus den nachfolgenden Gründen, eine absolute Fehleinschätzung der Behörden, und darüber hinaus mit Hinblick auf die anhaltende COVID- 19 Pandemie grob fahrlässig, der es gilt entgegenzuwirken:

1. COVID-19 Pandemie

Die „Corona Pandemie“ ist keines Wegs vorbei, im Gegenteil, es breitet sich aktuell gerade die Delta Mutation in Europa aus, sodass es allein aus diesem Grund geboten erscheint, soziale Kontakte wo nur möglich einzuschränken und Menschenansammlungen zu vermeiden. Im Zuge dessen sollte auch die Möglichkeit des Online Theorie Unterrichts im Rahmen der Fahrausbildung beibehalten werden und mindestens bis zum 01.07.2022 per Ausnahmegenehmigung deutschlandweit einheitlich zu verlängern. Andernfalls scheint eine 4 Welle im Herbst/Winter 2021 und ein weiterer Lock-Down unvermeidbar, was erneut unmengen an Steuergeldern kosten wird. Überdies warten bereits aktuell aufgrund der vergangenen Lock-Downs Vom Januar bis März mehr als 300.000 Fahrschüler auf einen Ausbildungsplatz. Grund hierfür ist, dass die Prüfungstelle TÜV coronabedingt nur eine geringere Anzahl Prüfungstermine anbietet und Fahrschulen infolge von coronabedingten Abstandsregelungen in geschlossenen Räumlichkeiten nur eine geringere Zahl an Fahrschüler gleichzeitig theoretisch ausbilden kann. Mittelbar führt das dazu, dass coronabedingt weniger Fahrschülern die Führerscheinprüfung erfolgreich abgenommen werden kann und sich mithin weniger Personen als neue Verkehrsteilnehmer nach Erlangung der Fahrerlaubnis ein Auto kaufen und eine entsprechende Haftpflichtversicherung abschließen. Hierdurch wird mittelbar die Automobil- und Versicherungsindustrie geschädigt und diese müssen mit erheblichen Umsatzeinbußen ab 2021 rechnen.

2. Unklare aktuelle gesetzliche Regelung

Die aktuelle gesetzliche Regelung im Zusammenhang mit der theoretischen Fahrausbildung ist unklar. Offen bleibt insbesondere, ob (i) theoretischer Fahrunterricht tatsächlich grundsätzlich lediglich in Form von Präsenzunterricht zulässig ist und Online Theorieunterricht nur im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung ausnahmsweise zugelassen werden kann, oder (ii) beide Formen des theoretischen Fahrausbildung, Präsenzunterricht und Online Theorieunterricht, grundsätzlich gesetzlich zulässig sind. Der Gesetzeswortlaut selbst lässt diese Fragestellung komplett offen und lässt mithin beide Auslegungen zu. Konkret ist in §§ 3, 4 FahrlG2018DV in seiner aktuellen Fassung nachfolgendes vorgesehen:

§ 3

In den Fahrschulen und deren Zweigstellen darf der theoretische Unterricht nur in ortsfesten Gebäuden erteilt werden. Die Unterrichtsräume müssen nach Größe, Beschaffenheit und Einrichtung einen sachgerechten Ausbildungsbetrieb zulassen und der Anlage 2 entsprechen.

§ 4

In den Unterrichtsräumen müssen während des theoretischen Unterrichts Lehrmittel zur Gestaltung des Unterrichts und zur Visualisierung vorhanden sein. Zur Darstellung des Lehrstoffes müssen wahlweise Modelle, analoge oder digitale Medien sowie die zur Visualisierung jeweils erforderlichen technischen Geräte vorhanden sein. Bildschirme und Projektionsflächen müssen eine ausreichende Größe aufweisen. Ferner müssen die für die Ausbildung der Fahrschüler notwendigen aktuellen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen in schriftlicher oder, sofern der Zugriff im Unterrichtsraum gesichert ist, in elektronischer Form vorliegen.“

Aus dem gesetzlichen Wortlaut der Regelung ergibt sich mithin lediglich, dass sofern der Theorieunterricht in Präsenzform stattfindet, die Unterrichtsräumen sich in ortsfesten Gebäuden befinden müssen und nach Größe, Beschaffenheit und Einrichtung eine sachgerechten Ausbildungsbetrieb zulassen müssen. Dass der Theorieunterricht jedoch ausschließlich in Form von Präsenzunterricht zulässig sein soll, ergibt sich hieraus nicht eindeutig.

3. Gleichwertige Pädagogische Ausbildung

Bei einer theoretischen Ausbildung der Fahrschüler in Form von Onlineunterricht bleibt der pädagogische Aspekt der Fahrausbildung qualitätiv nicht hinter der theoretischen Ausbildung in Präsenzform zurück. Im Gegenteil, durch Theorieunterricht im Online-Format kann gewährleistet werden, dass die theoretische Ausbildung der Fahrschüler gleichförmig ist und immer das gleiche qualitative Ausbildungsniveau hat und eben gerade nicht von der Tagesform des unterrichtenden Fahrlehrers oder dessen persönliche Fähigkeiten abhängt.

Wie eine unsererseits eingeholte wissenschaftliche Studie belegt, ermöglicht der Onlineunterricht überdies ein interaktiveres Arbeiten der Fahrschüler mit dem Fahrlehrer. So zeigt eine Studie der Universität Potsdam zum „System der Pädagogisch qualifizierten Fahrschulüberwachung“ auf, dass die Qualität der theoretischen Ausbildung in Form des Präsenzunterrichts von Fahrschule zu Fahrschule deutlichen Schwankungen unterliegt. So erhielten nur 23,3 % der geprüften Fahrschulen die Note „Sehr Gut“, 40,8% die Note gut, 32% die Note „Ausreichend“ und 3,9% die Note „Mangelhaft“, wenn es um das Kriterium der „Strukturierung der Unterrichtseinheit ging. Bei der Qualität der Lehrvorträge erhielten 60,1% die Note „Sehr Gut“, 34% die Note „Gut“ und 4,9% die Note „Ausreichend“ und 1% die Note „Mangelhaft“. In der Kategorie „Orangisation von Diskussionen“ erhielten dagegen nur 48% die Note „Sehr Gut“, 26,5% die Note „Gut“, 11,8% die Note „Ausreichend“ und 13,7% die Note „Mangelhaft“. Diese Divergenzen zwischen der Qualität des Theoretischen Unterrichts von Fahrschule zu Fahrschule könnte durch einen standardisierten Online Theorieunterricht, bei welchen ein Fahrlehrer gleichwohl anwesend ist und interaktiv Fragen von Fahrschülern beantwortet behoben werden. Insbesondere das erhebliche Defizit mancher Fahrschulen bei der Strukturierung der Unterrichtseinheiten könnte hierdurch behoben werden.

Auch kann die Verkehrssicherheit genauso gut, wenn nicht besser, über ein Online-Format vermittelt werden wie über den Präsenzunterricht. Im Gegenteil, die Heterogenität der Gruppe im Hinblick auf Alter, Sozialisation, Bildungsniveau und Motivation innerhalb kann es bei Präsenzunterricht eher schwierig für den Fahrlehrer machen seine erzieherische Aufgabe betmöglich zu erfüllen, seine Fahrschüler individuell zu erreichen und auf deren Einstellung und Hatlung einzuwirken. Im Online Format kann der Fahrlehrer besser auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Fahrschülers im „Einzelchat“ eingehen und dessen Fragen beantworten ohne den Unterricht der übrigen Fahrschüler zu stören oder unterbrechen zu müssen.

4. Bundesweite Verzahnung von Fahrschulen

Unabhängig von der konkreten Situation in dem jeweiligen Bundesland und den jeweiligen Inzidenzwerten haben Fahrschulen durch die Möglichkeit des Angebots von Online-Theorie Fahrschulen bundesweit dieselben Möglichkeiten und können unabhängig von den coronabedingten, örtlich angeordneten Beschränkungen, weiterhin ihren Fahrschülern die theoretische Ausbildung online anbieten. Durch die Möglichkeit von Theorieunterricht in Online- Form wird den Fahrschulen vor dem Hintergrund der weiterhin ungewissen pandemischen Entwicklung Planungssicherhiet für eine mögliche Durchführung des theoretischen Unterrichts im Online-Format gegeben. Dies ist insbesondere mit Blick darauf von Wichtigkeit, dass Fahrschüler im ganzen Bundesland im Rahmen der Vertragsfreiheit ihre Theorieausbildung auch in Bundesländern machen können die Online-Theorie weiterhin anbieten, was zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für Fahrschulen, die in Bundesländern ansässig sind, die keine Online- Theorie zulassen, führt. Zumal 81% aller Fahrschüler deutschlandweit Online Theorie befürworten, da es ihnen gerade in Zeiten einer Pandemie gleichwohl die Möglichkeit bietet die theoretische Ausbildung zu absolvieren.

Überdies haben Fahrschulen bereits einen erheblichen Betrag investiert um von Theorieunterricht in Form von Präsenzunterricht zu Onlinetheorie umzurüsten und diese Investitionen wäre vergebens gewesen, wenn diese jetzt lediglich wieder Theorieunterricht in Form von Präsenzunterricht durchführen dürften.

5. Wettbewerbswidriges Verhalten alter Marktteilnehmer

Der Moving e.V. veröffentlicht und verbreitet Informationsbroschüren an Fahrschulen, die irreführend sind und ein falsches Bild von der Realität vermitteln. Laut dieser Veröffentlichungen soll das Angebot von Online-Theorie bei den Fahrschulen zu einem Umsatzrückgang von 43 % führen. Diese Aussage ist schlichtweg falsch und mithin irreführend. Der Moving e.V. stellt das Angebot von Online-Theorie durch Fahrschulen dem Fall gleich, dass gar kein Theorieunterricht seitens der Fahrschulen angeboten wird und mithin kein Umsatz mit Theorieunterricht seitens der Fahrsschulen erwirtschaftet wird. Dies ist aber im Falle eines Angebots von Online- Theorieunterricht durch Fahrschulen gerade nicht der Fall. Im Gegenteil, die Fahrschulen erhalten im Falle einer Durchführung des Theorieunterrichts online genauso wie im Falle von Präsenztheorieunterricht in der Fahrschule eine pauschale Vergütung von EUR 300 ( EUR 45,39 Deckungsbeitrag Vorstellung theoretische Prüfung + Grundbetrag Theorie von EUR 255,66) pro Teilnehmer. Im Gegenteil, rechnet man damit dass ein Fahrlehrer 250 Tage im Jahr arbeiten kann und dabei an einem Tag jeweils (maximal) 5x Doppel Stunden (a 45 min) fahren darf, welche mit 100 EUR (50 EUR / 45 min) abgerechnet wird, würde sogar weniger Umsatz durch die Fahrschulen generiert, würden Sie weiterhin Theorieunterricht in Form von Präsenzunterricht abhalten. Geht man davon aus, dass ein Fahrschüler im Schnitt 20x Doppelstunden für seine praktische Ausbildung benötigt, so kann ein Fahrlehrer unter zu Grundelegung vorgenannter Annahmen, wenn der Theorieunterricht online durchgeführt würde, 63 Fahrschüler im Jahr fertig ausbilden (unabhängig von Prüfungen) und damit einen Umsatz von insgesamt EUR 142.073 generieren (125.000 EUR (Praxis) + (63 x (350-79)) = 17073 EUR = 142.073 EUR). Wird die theoretische Ausbildung lediglich in Form von Präsenzunterricht durchgeführt, kann ein Fahrlehrer nur 4x Doppelstunden am Tag durchführen und muss 1x Doppelstunde am Tag Theorieunterricht halten, was insgesamt lediglich zu Einnahmen von 100.000 EUR in der Praxis (25.000 EUR Verlust) führt.

Dies stellt der Moving e.V. offenbar bewusst falsch dar, da er ein originäres Interesse daran hat, dass der Theorieunterricht weiterhin lediglich in Form von Präsenzunterricht angeboten wird. Dies ist wettbewerbswidrig. Wir regen daher an, gegen den Moving e.V. wettbewerbsrechtlich vorzugehen und diesen aufzufordern zukünftige die Veröffentlichung und Verbreitungen derartiger Darstellung zu unterlassen und zu verpflichten eine richtigstellende Darstellung zu veröffentlichen und zu verbreiten.

Selbst der Herr Stiegler der Vorstand des Vogel Verlags, welche Fahrschülern im Zusammenhang mit der theoretischen Ausbildung Lernmaterial anbietet, befürwortet sogar den Schritt hin zur Digitalisierung und meinte, dass der Vogel Verlag sich diesem Fortschritt der Zeit nicht in den Weg stellen werde.

Unter Berücksichtigung und Würdigung sämtlicher Umstände, ist daher eine gesetzliche Klarstellung in § 3 FahrlG2018DV längst überfällig und wir regen daher an § 3 FahrlG2018DV wie folgt zu ändern:

§ 3

Der theoretische Unterricht darf sowohl in Form von Präsenzunterricht oder Online Form abgehalten werden. Sofern der theoretische Unterricht in Form von Präsenzunterricht abgehalten wird, darf der theoretische Unterricht nur in ortsfesten Gebäuden in den Fahrschulen und deren Zweigstellen erteilt werden. Die Unterrichtsräume müssen nach Größe, Beschaffenheit und Einrichtung einen sachgerechten Ausbildungsbetrieb zulassen und der Anlage 2 entsprechen. Sofern der theoretische Unterricht in Form von Online Unterricht abgehalten wird, muss sichergestellt werden, dass das Online Unterricht in ortsfesten Gebäuden der Fahrschulen durchgeführt wird und vom regulären Lehrpersonal der Fahrschule durchgeführt wird.

§ 4

Sofern der theoretische Unterricht in Form von Präsenzunterricht abgehalten wird, müssen in den Unterrichtsräumen während des theoretischen Unterrichts Lehrmittel zur Gestaltung des Unterrichts und zur Visualisierung vorhanden sein. Zur Darstellung des Lehrstoffes müssen wahlweise Modelle, analoge oder digitale Medien sowie die zur Visualisierung jeweils erforderlichen technischen Geräte vorhanden sein. Bildschirme und Projektionsflächen müssen eine ausreichende Größe aufweisen. Ferner müssen die für die Ausbildung der Fahrschüler notwendigen aktuellen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen in schriftlicher oder, sofern der Zugriff im Unterrichtsraum gesichert ist, in elektronischer Form vorliegen. Sofern der theoretische Unterricht in Form von Online Unterricht abgehalten wird, hat die ausbildende Fahrschule sicherzustellen, dass sowohl die Übertragung des Unterrichts als auch die Teilnahme daran in Ton und Bild unterbrechungsfrei möglich ist und die Fahrschüler dem Unterricht ohne Behinderung folgen können, wobei zwischen dem Fahrlehrer und den Fahrschülern während des Unterrichts eine kontinuierliche akustischer und visueller Kontakt bestehen muss und für die Fahrschüler die Möglichkeit bestehen muss, jederzeit direkt mit dem unterrichtenden Fahrlehrer Kontakt aufzunehmen und Fragen stellen zu können (synchroner Unterricht) und der Fahrlehrer hat die fortlaufende Anwesenheit der Fahrschüler zu kontrollieren und zu dokumentieren. Im Falle von nicht nur unerheblichen Unterbrechungen muss die jeweilige Unterrichtsstunde wiederholt werden.“

Daneben regen wir an, bis zum Abschluss des entsprechenden Gesetzgebungsverfahrens, die zuständigen Landesbehörden entsprechend anzuhalten, die entsprechenden Ausnahmegenehmigungen für Online-Theorie gemäß § 54 FahrlG weiterhin zu gewähren, und so zum einen eine Ausbreitung von COVID 19 und der Delta Mutation aktiv entgegenzuwirken und zum anderen Fahrschulen, vor dem Hintergrund der weiterhin ungewissen pandemischen Entwicklung,

Planungssicherheit für eine mögliche Durchführung des theoretischen Unterrichts in Online-Form zu geben.

Deutsche Verein der freien Fahrschulen und Fahrlehrer

vertreten durch

Wie ist Ihre Meinung?

Ihre Meinung zählt und wir freuen uns auf Ihr Feedback.